Palomino – 2 Wochen im kolumbianischen La Guajira

Kohle und Bananen – viel Verkehr ist auf der Straße mitten durch Palomino hindurch eigentlich nicht – die riesigen Trucks von den Minen und den Plantagen donnern trotzdem unheimlich zwischen den flachen Häusern hindurch. Obwohl die Straße die einzige ist, die nördlich der Sierra Nevada de Santa Marta an der Karibikküste entlang nach Osten führt, begegnen uns außer den Trucks nicht viele Fahrzeuge. Von Santa Marta aus nach Riohacha führt die Straße und weiter auf die Halbinsel La Guajira in Richtung Venezuela.

Palomino liegt bereits im Departamento La Guajira, wenn auch nur einige Kilometer hinter der Grenze zum Departamento Magdalena, dessen Hauptstadt Santa Marta ist, woher wir gerade kommen. Wir befinden uns in einem Collectivo, einem Taxi, das man nicht für sich alleine hat, sondern in dem einfach alle Plätze vergeben werden. Ich habe das Glück, auf dem mittleren Rücksitz zu sitzen und meine Schulter an den schwitzenden Bauch eines fremden Mannes lehnen zu dürfen.

Eine weiche Fahrt bei 34 Grad Celsius draußen und nicht vorhandener Klimaanlage drinnen, doch wer leidet, der freut sich später mehr und als wir nach einer Fahrt durch unglaublich schöne Landschaft schließlich in Palomino ankommen, ist die Freude tatsächlich groß. Und zwar nicht, weil ich dem schwitzenden Bauch entkommen bin, sondern weil ich verstehe, dass ich an einem außergewöhnlichen Ort gelandet bin, einem Ort, an dem ich im Flimmern der tropischen Sonne einige Zeit lang vergessen kann, welcher Tag gerade ist und was ich sonst so für Sorgen habe.

Palomino hat knapp 2.000 Einwohner*innen und liegt in den letzten Ausläufern der Sierra Nevada de Santa Marta, ganz in der Nähe der Mündung des Rio Palomino. Außer der Hauptstraße gibt es nur einige staubige unasphaltierte Sträßchen, eine davon, die Carrera 6, führt in einem etwa 20-minütigen Fußweg direkt an den Strand.

Im westlichen Teil des Dorfes befindet sich ein kleiner zentraler Platz, dort ist ein Sportplatz, die Polizeistation und einige Läden. An der Carrera 6 entlang reihen sich die Restaurants, Bars und einige weitere Läden, näher am Strand dann einige Hostels. Weitere Hostels befinden sich gerade im Bau.

Von Santa Marta nach Palomino

Bei klarer Sicht sind von Palomino aus die hohen Gipfel der Sierra Nevada de Santa Marta zu sehen, nahezu 6.000 Meter über dem Meeresspiegel (Pico Cristóbal Colón und Pico Simón Bolívar, beide 5.775 Meter), der Wind vom Meer hält die mörderische Hitze dieser Gegend ein wenig in Schach.

Schatten in der tropischen Sonne

Kolumbien hat schwierige Zeiten und steinharte Anstrengungen hinter sich, mit diesen abzuschließen. Das begann mit den Verbrechen der kolonisierenden Europäer, die sich rücksichtslos alles nahmen, was sie haben wollten, Gold, Frauen und Männer, Gebiete. Das setzte sich fort über die Verbrechen im Rahmen der Drogenproduktion und des Drogenhandels, die Verbrechen von Politikern und den Druck fremder Regierungen. Und das ist auch heute noch zu spüren, aber vieles ist besser und die Menschen sind zuversichtlich. Jedoch muss man auch daran denken, dass sich Palomino in unmittelbarer Nähe zu Gebieten der Drogenökonomie und bewaffneter Gruppen befindet, die in offenem Konflikt mit der Regierung in Bogotá stehen.

Auch die Grenze zu Venezuela und ein neu entfachter politischer Konflikt zwischen den Ländern sind nur wenige Zig Kilometer weit entfernt. Aktuell sind die Grenzen zum Nachbarland jedenfalls geschlossen und von Reisen tiefer ins Grenzgebiet wird derzeit dringend abgeraten – hierzu siehst du am besten vor deiner Reise stets die Informationen des Auswärtigen Amtes ein.

Da wir zuvor eine Weile in Bogotá waren und dementsprechend wissen, dass es in Kolumbien durchaus nicht empfehlenswert sein kann, nach Einbruch der Dunkelheit (und an manchen Stellen auch tagsüber) überall herumzulaufen, wollen wir in Erfahrung bringen, wie es sich damit in Palomino und dessen Umgebung verhält.

Wir fragen also nach und erhalten die Antwort, in Palomino gebe es keine Kriminalität. Warum? Nun ja, Palomino werde von kleinen Gruppen kontrolliert. Und die würden alle umbringen, die kriminell sind. Alles klar. Hier gibt es keine Kriminalität. Gut für uns. Schlecht vermutlich für jemand anders. Und für deinen Aufenthalt in Palomino will ich mich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und dir eine sichere Umgebung versprechen, wir sind jedoch jede Menge im Dunkeln in Palomino herumgelaufen und es ist nichts passiert.

Jedenfalls kann man sich schon freuen, denn man kann hier überhaupt rumlaufen. Vor zehn Jahren sah das anders aus. Und es wäre schade, hier nicht herumlaufen zu können. Und folgst du der holprigen Piste, die die Carrera 6 eigentlich ist, Richtung Strand, verstehst du auch schnell, warum.

Palomino liegt zwischen einigen spitzen Hügeln, auf denen ein dichter grüner Wald wächst. Hinter den Hügeln ist nur noch Wildnis. Indianergebiet und von den Gruppen beherrschtes Terrain. Hunderte Kilometer weit gar nichts, unvorstellbar in der Mitte Europas. Es führen von hier aus nicht einmal Straßen nach Süden in die Sierra Nevada de Santa Marta.

Überall singen Vögel, das Leben scheint langsamer abzulaufen hier. Kleine Restaurants, frisches Obst, wenig Verkehr und selten Internet. Ungefähr so sieht ein Ort aus, den man sich vorstellt, wenn man an tropische Idylle denkt.

Palomino als Reiseziel

Unsere Reise sollte eigentlich ziemlich schnell weitergehen, weiter Richtung Osten. Jedoch gefällt es uns in Palomino so gut, dass wir uns entscheiden, erst einmal eine Weile zu bleiben. Viel zu tun gibt es eigentlich nicht. Aber das ist gut so. Es gibt kleine Cafés, Restaurants und den Strand. Es gibt Hängematten und Kokosnüsse, Palmen und es gibt die Flussmündung des Rio Palomino.

Und diese Flussmündung alleine ist es schon wert, den ganzen Weg auf sich zu nehmen. Ob im Morgengrauen, zum Sonnenuntergang oder bei Sturm, der Ort ist der Wahnsinn. Im Hintergrund die Berge,aus denen der Rio Palomino kommt, im Vordergrund der Dschungel und die karibische See und eine kleine Lagune. Bei Sturm donnern die Wellen über die Sandbank hinweg. Stürmt es nicht, kannst du dich auf die riesigen Treibholzstücke setzen. An den Ufern des Rio Palomino grasen Pferde und sitzen die Vögel.

Unter einem Bretterdach verkauft ein Mann Kleinigkeiten zu Essen, Bier und frisch gepressten Orangensaft, du kannst dich stundenlang hier aufhalten, es wird nicht langweilig. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich hier einen der Original-Schauplätze von Monkey Island gefunden habe.

Mündung des Rio Palomino in Kolumbien
Mündung des Rio Palomino in Kolumbien
Mündung des Rio Palomino in Kolumbien
Mündung des Rio Palomino in Kolumbien

Später waten wir durch den Fluss auf die andere Seite der Mündung, die Strömung ist stark, fast reißt es mich fort. Nochmal würde ich das nicht machen, vermutlich ist es gefährlich. Die Strömung kann einen unter die Wellen ziehen, dann kommt man nicht mehr heraus. Überall an den Stränden in dieser Gegend der Karibik stehen Schilder über die Toten, die sich die Strömung holt. Die Menschen hier in Palomino warnen einen oft vor dem Meer. Es ist hier nicht gut zum Schwimmen geeignet. Wer dagegen die Wildnis liebt und das Verwegene, dem oder der wird es hier gefallen.

Auf der anderen Seite des Rio Palomino gehen wir weiter Richtung Westen, auf die Klippen zu. Weit und breit kein Mensch zu sehen. Nur das Donnern der Brandung, das Rauschen des zurückfließenden Wassers und die Schreie irgendwelcher Tiere aus dem Wald sind zu hören. An einigen Stellen wachsen die Bäume fast bis ins Wasser.

Sturm in Palomino

Eine beliebte Beschäftigung in Palomino ist es, sich ein Stück weit den Fluss hinauf fahren zu lassen und von dort aus auf einem LKW-Reifen-Schlauch auf dem Rio Palomino flussabwärts treiben zu lassen. Während man sich von der Sonne grillen lässt, kann man sich dabei Pflanzen und Tiere ansehen und die Ruhe genießen.

Das gleiche wird für den etwas weiter entfernten Fluss Don Diego angeboten. Dort sollen noch mehr Brüllaffen und noch mehr Dschungel zu bestaunen sein. In einem Geländewagen lassen wir uns dort hinfahren, steigen bei einem kleinen Dorf auf die Schläuche um und steigen in das Wasser des Don Diego. Kurz darauf, wir haben uns schon etwas treiben lassen, rufen uns von einer Brücke aus zwei Jungen zu, sie würden uns 10.000 Pesos geben, wenn wir ihn berührten.

Ich frage mich noch, was sie damit wohl meinen, als ich auf einmal ein Krokodil keine fünft Meter entfernt auf einem im Wasser hängenden Ast liegen sehe. Es ist nicht besonders groß, vielleicht einen Meter lang, aber du kannst dir ja vorstellen, was einem durch den Kopf geht, wenn der nackte Arsch ins Wasser hängt, während ein Krokodil in der Nähe herumschwimmt. Lieber schwimme ich schnellstens so weit wie möglich fort. Auf der zweistündigen Fahrt bis zur Mündung des Don Diego, die ähnlich schön ist, wie die des Rio Palomino, begegnen uns ein weiteres Krokodil, Riesenechsen, viele Affen und Vögel und wunderschöne Natur.

Übernachten

Hotel Playa Mandala

Großartiges Hotel etwas außerhalb von Palomino. Mein klarer Favorit. Wunderschöne kleine Hütten im Palmenwald direkt am Strand mit sehr freundlichen Betreiber*innen.

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Tiki Hut Hostel

Im Tiki Hut Hostel gibt es Gemeinschaftsschlafräume und private Hütten. Alle stehen um einen schönen Garten mit Pool, Restaurant und Bar herum. Die Hütten lassen sich nicht abschließen, aber das scheint hier kein Problem zu sein. Das Hostel ist in der Nähe des Strandes von Palomino gelegen und hat mir insgesamt gut gefallen. In den Bäumen in Sichtweite klettern sogar manchmal ziemlich große Echsen in den Bäumen herum.

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Anreise nach Palomino

Nach Palomino kannst du entweder mit dem Bus, einem Collectivo oder einem Taxi kommen. Die Busse sind im Prinzip unproblematisch, nur mit Gepäck wird es manchmal etwas eng und ungemütlich. Außerdem ist der Busbahnhof in Santa Marta nicht ganz einfach zu finden. In die andere Richtung dagegen ist es kein Problem. Die Busse fahren etwa alle 20 Minuten durch Palomino und du kannst einfach an der Hauptstraße einsteigen. Dort steht dann meistens auch schon das Buspersonal und ruft dich herbei. Die Fahrt zwischen Palomino und Santa Marta kostet etwa 20.000 kolumbianische Pesos und dauert etwas mehr als zwei Stunden.

Etwas teurer (etwa 30.000 kolumbianische Pesos) ist die Fahrt mit einem Collectivo. Diese kannst du über Agenturen in Santa Marta finden, zum Beispiel im Erdgeschoss des Hostels Masaya in der Calle 14.

Mobil in Palomino

In Palomino lässt sich dann eigentlich alles zu Fuß erledigen. Selbst vom etwas außerhalb gelegenen Hotel Playa Mandala aus bist du in etwa einer halben Stunde – am Strand entlang und dann die Carrera 6 nach Süden – im Dorfzentrum. Aber Achtung: Stets den Sonnenschutz nicht vergessen!

Hast du keine Lust, herumzulaufen, findest du eigentlich auch überall Motorradtaxis, die dich für 4.000-8.000 kolumbianische Pesos überall in Palomino hinfahren.

Was gibt es sonst noch zu beachten?

In Palomino gibt es keinen Geldautomaten! Der nächste Geldautomat befindet sich in Mingueo. In Mingueo gibt es zwei Geldautomaten. Einer davon hat allerdings bei meinem Besuch nicht funktioniert. Mingueo liegt eine etwa 20-minütige Fahrt weit östlich von Palomino. Mit dem Taxi kostet es hin und zurück etwas mehr als 30.000 kolumbianische Pesos (das sind zur Zeit etwa 10 Euro), mit dem Motorradtaxi etwas weniger.