Tirana – Die Hauptstadt von Albanien

Tirana ist die Hauptstadt von Albanien und liegt zu Füßen des Dajti-Gebirges. Die Stadt ist eine der unbekannteren europäischen Hauptstädte. Rund 500.000 Menschen leben in Tirana, was in etwa ein Fünftel aller EinwohnerInnen von Albanien ist. Bunte Häuser und sozialistische Architektur prägen das Stadtbild. Mein Monat in Albanien neigt sich seinem Ende entgegen, so wird die Erinnerung an Tirana fürs erste sehnsuchtsvoll und melancholisch bleiben.

Spaziergang durch Albaniens Hauptstadt

Tirana ist super. Hier gibt es viele mehrspurige Kreisverkehre, die nicht so richtig funktionieren. Die Straßen sind überfüllt, viele gesperrt. AutofahrerInnen aus Tirana drängen aus allen Richtungen in die Kreisverkehre. Wer hier nicht hart mitdrängelt, kommt schlicht und einfach nicht mehr weiter. Zusätzlich wird der Verkehr in Kreisverkehren von der Polizei geregelt. Auch an Ampeln ist das hier in Tirana üblich. Eine rote Ampel wird erst dann respektiert, wenn zusätzlich noch ein Polizist oder eine Polizistin mit anhaltender Hand auf der Straße steht. Ich mag Tirana. Und bin dann aber dennoch froh, als ich mein Auto schließlich auf dem Parkplatz des Hotels Broadway abstellen kann. Von nun an geht es zu Fuß weiter. Als erstes durch den Stadtteil Blloku.

Blloku

Wer die alte sozialistische Architektur mag, wird Tirana lieben. In Albanien begegnen mir viele interessante Relikte aus der sozialistischen Zeit. Zum Beispiel das Kraftwerk von Fier und das Gefangenenlager Spaç. Hier in Tirana sind es Prachtbauten und Straßenzüge. Blloku war der Stadtteil, in dem die politische Elite und die Parteimitglieder des kommunistischen Albaniens lebten. Auch das Haus des damals herrschenden Diktators Enver Hoxha befindet sich in Blloku. Dieser Teil Tiranas war zu sozialistischer Zeit abgeschlossen, der restlichen Bevölkerung nicht zugänglich. Und sogar auf Stadtplänen fand sich Blloku nicht.

Die Macht und ihr Ende

Das sagt eigentlich mal wieder alles über Macht und ihre Strukturen. Wie mein Reiseführer es so schön sagt: Auf die Fahnen geschrieben hatte der Diktator sich das Wohl der Arbeiterklasse, nach Blloku oder in die Nähe seines Hauses in Tirana zu kommen, erlaubte er jedoch den ArbeiterInnen nicht.

Nach dem Ende der Sozialistischen Volksrepublik Albanien im Jahre 1990 machte Blloku in Tirana eine ähnliche Entwicklung durch wie Prenzlauer Berg und später auch Friedrichshain in Berlin. Junge Kreative kamen, das Geld kam nach. Heute wird Blloku der Stadteil der jungen Elite Tiranas genannt. Ich hasse solche Begriffe. Leistung hat die Welt noch nie besser gemacht. Viele Restaurants, Bars und Clubs befinden sich in den Ausgehstraßen wie zum Beispiel der Rruga Pjetër Bogdani. Ich esse italienisch, albanisch, biologisch. Alles schmeckt gut. Die Preise sind hier höher als im restlichen Tirana und viel höher als anderswo in Albanien.

Ausgehen in Blloku

Irgendwie geistert mir das Wort Konzeptgastronomie im Kopf herum. Auch wenn ich eigentlich nicht so genau weiß, was es bedeutet. Hier ist alles ein bisschen schick, aufgeräumt und modern. Es ist mir im Grunde zu viel von allem. Aber ich mag die Optik der Straßen in Tiranas Blloku. Ich mag die hohen Gebäude, die alles andere als hübsch sind. Ich mag die alten Villen und die mediterranen Pflanzen. Und vor allem mag ich die fröhliche Lebendigkeit hier auf den Straßen von Tirana.

Am Abend möchte ich ausgehen. Für ein paar Stunden in eine Bar. Dort, wo Tiranas Menschen feiern. Ich suche mir die Ruin Bar in der Rruga Pjetër Bogdani aus. Eine Mischung aus kleinem Club und Bar. Das Ausgehen funktioniert hier anders als in Berlin. Die Menschen sind gut gekleidet, zwei Türsteher versperren den Eingang. Keine Ahnung, ob und welche Art von Türpolitik hier betrieben wird. Ich bin nicht besonders gut gekleidet. Hallo, ich bin Reisender. Doch man lässt mich hinein. Der Whisky ist günstig, die Musik laut.

Update: Die Ruin Bar ist inzwischen leider geschlossen.

Der Skanderbeg-Platz und ein Markt

Ich verlasse Blloku und gehe weiter in Richtung des Zentrums von Tirana. Rund um den Skanderbeg-Platz befinden sich viele wichtige Gebäude, zum Beispiel das Nationalmuseum von Tirana. Der Platz, der nach dem albanischen Nationalhelden Skanderbeg, eigentlich Georg Kastriota, benannt ist, gilt als das Zentrum von Tirana. Ich finde ihn vor allem laut und spaziere weiter durch die Straßen von Tirana. Als ich der Rruga Çamëria vom Skanderbeg-Platz aus folge, befinde ich mich auf einmal inmitten eines Straßenmarktes. Die verschiedensten Dinge werden hier verkauft, das Treiben ist bunt und laut. Aber dieses Mal von den Stimmen der Menschen und nicht von den Motoren der Autos und Lastwagen. Hier gefällt mir Tirana wieder ganz besonders gut.

Etwas östlich des Skanderbeg-Platzes befindet sich ein weiterer kleiner Platz. Dort entdecke ich das Denkmal für den unbekannten Partisanen und bin fasziniert von dessen Gesichtsausdruck. Daneben wird Schach gespielt und Kaffee getrunken. Manchmal erschießen Menschen sich gegenseitig, manchmal sitzen sie hier in Tirana und spielen Schach. So einfach ist die Welt.

Update: Die laute Baustelle und der Verkehr auf dem Skanderbeg-Platz sind inzwischen übrigens Geschichte. Der große Platz mitten in Tirana ist jetzt sehr viel angenehmer und ruhiger.

Straße in Blloku
Sportplatz in Tirana
Statue des unbekannten Partisanen

Der botanische Garten

Ich liebe botanische Gärten. Deshalb will ich auch den in Tirana besuchen. Doch das ist gar nicht so einfach. Der botanische Garten von Tirana liegt am südwestlichen Ende des künstlichen Sees. Und zwar auf der südlichen Seite der Autobahn. Zunächst wandere ich von Tiranas Zentrum aus durch Plattenbausiedlungen und Sportanlagen. Als ich die Autobahn erreiche, entscheide ich mich zunächst für die falsche Unterführung und lande auf der westlichen Seite des umzäunten botanischen Gartens. Und während ich den Hügel entlang des Zaunes hinaufsteige, wächst die Gewissheit, dass von dieser Seite aus kein Zugang in den botanischen Garten möglich ist. Also alles wieder zurück.

Und tatsächlich, der Eingang zum botanischen Garten ist auf der östlichen Seite der Anlage. Nämlich in der Rruga Selita e Vjeter. Doch auch hier zunächst Enttäuschung: Das eiserne Tor ist mit einem Vorhängeschloss und einer dicken Kette verschlossen. Ich will schon aufgeben, als ich im Inneren des Gartens einen Wachmann pa­t­rouil­lie­ren sehe. Und ich habe Glück. Nachdem ich ihn herbeigerufen habe, öffnet er mir das Tor und sagt, ich könne eine Weile lang drinnen herumlaufen.

Der botanische Garten wird von der Universität Tirana gepflegt und ist schön aber leider in einem schlechten Zustand. Der kleine See ist ausgetrocknet, die ganze Anlage wirkt etwas verwahrlost. Dabei wäre der Garten vor der herrlichen Kulisse Tiranas und der umliegenden Berge eigentlich richtig toll.

Botanischer Garten von Tirana

Das Hotel Dajti und der General der Toten Armee

Das Hotel Dajti am Bulevardi Dëshmorët e Kombit ist ein Ort mit historischer Bedeutung. Es liegt zwischen der Pyramide von Tirana und der Nationalen Kunstgalerie Galeria Kombëtare e Arteve. Das Hotel Dajti versteckt sich hinter großen Pinien. Und seine prächtige Fassade bricht langsam in sich zusammen.

Im Jahre 1942 eröffnete das Hotel Dajti. Es galt als eines der besten Hotels auf der ganzen Balkanhalbinsel. Später durften einfache Reisende das Hotel nicht mehr betreten. Nur noch Staatsgäste waren in dem Gebäude willkommen.

Bakanntheit erhielt das Hotel Dajti durch den Roman Der General der toten Armee von Ismail Kadare. Der Roman basiert auf einer wahren Begebenheit und erzählt die Geschichte eines italienischen Generals. Er wurde nach Albanien geschickt, um die Knochen der im zweiten Weltkrieg gefallenen italienischen Soldaten zurückzuholen. Während seiner düsteren Mission wohnte er auch im Hotel Dajti in Tirana.

Weil das Hotel von außen so finster aussieht und mich seine Geschichte fasziniert, bekomme ich große Lust, mir das Innere anzusehen. Doch das Gelände ist bewacht. Ich gehe zu einem Soldaten oder Polizisten, der in einem kleinen Wachhäuschen seinen Dienst verrichtet. Ich frage, ob es irgendeine Möglichkeit gebe, das Hotel von innen zu sehen. Doch leider geht das nicht. Er sagt, es gebe keine solche Möglichkeit. Er würde mich aber in Ruhe lassen, wenn ich mir das Gebäude etwas genauer durch den Zaun ansehe. So was Blödes. Das wäre mal ein tolles Gebäude für meine Reihe von Lost Places gewesen!

Hotel Dajti in Tirana

Der künstliche See

Der künstliche See von Tirana liegt im Südwesten des Stadtzentrums. Man hat hier Anfang der 1960er-Jahre einen Staudamm gebaut, um das Wasser aufzuhalten. Der See ist bei den BewohnerInnen Tiranas scheinbar ziemlich beliebt. Gerade an den Wochenenden ist am Ufer und in dem direkt angrenzenden großen Park Parku i madh i Tiranës sehr viel Betrieb. Die Menschen grillen, veranstalten Picknicks oder gehen spazieren. Das Wasser macht allerdings eher den Eindruck, als würde ich nicht so gerne darin herumschwimmen. Später lese ich auch, dass die Wasserqualität ziemlich besorgniserregend sei.

Dem großen Park sieht man an, dass er viel benutzt wird. Zwischen den Bäumen befindet sich auch ein modernes Amphitheater, das im Sommer für Veranstaltungen verwendet wird.

See von Tirana
Amphitheater in Tirana

Enver Hoxhas Pyramide

Ganz in der Nähe des Hotels Dajti und ebenfalls am Bulevardi Dëshmorët e Kombit liegt das vielleicht interessanteste Gebäude der Stadt, die Pyramide von Tirana. Ursprünglich im Jahre 1988 als Enver-Hoxha-Museum eröffnet, heißt das Gebäude heute offiziell Internationales Kulturzentrum.

Solange es die Sozialistische Volksrepublik Albanien gab, zeigte das Enver-Hoxha-Museum eine Ausstellung zum Leben des Diktators. Später diente es dann als Zentrum für Kongresse und Ausstellungen. Außerdem waren Büros und Gastronomiebetriebe in der Pyramide untergebracht.

Heute verwittert die Pyramide von Tirana langsam. Es gibt zwar Pläne zu einer zukünftigen Nutzung und zu einem Umbau. Jedoch ist das einzige, das man bei der Besichtigung wahrnimmt, dass die Tore fest verschlossen sind und Jugendliche die steilen Oberflächen der Pyramide als Klettergerüst nutzen.

Pyramide von Tirana

Museen

Neben dem Nationalmuseum am Skanderbeg-Platz gibt es noch diverse weitere Museen in Tirana. Zum Beispiel das Archäologische Museum in der Straße Sheshi Nënë Tereza.

Besonders interessant ist die bereits oben erwähnte Nationale Kunstgalerie Galeria Kombëtare e Arteve. Dort sind nicht nur moderne albanische KünstlerInnen ausgestellt. Darüber hinaus gibt es in dem Museum nämlich auch noch sehr beeindruckende Gemälde aus der sozialistischen Zeit zu sehen. Dieser sogenannte Realismus des Sozialismus gefällt mir besonders gut. Stolze ArbeiterInnen und KämpferInnen vor mächtigen Industrieanlagen oder Militärmaschinen auf riesigen Leinwänden. Richtig gut.

Nationalmuseum Tirana

Anfahrt nach Tirana

Ich erreiche Tirana von Süden her, nachdem es mir mit Müh und Not gelungen ist, die Straße zwischen Kuçova und Elbasan zu fahren. Ich komme von Berat und was ich auf dieser Straße erlebt habe, war auch nach einem Monat Albanien noch beeindruckend. Die Straße ist ohnehin schon schlecht. Als es aber im Tal des Flusses Devoll sintflutartig zu regnen beginnt, sind einige Kurven der Straße kaum noch passierbar. Immer wieder fehlen große Stücke oder die Straße ist komplett in die Tiefe gerissen worden. Viele Kilometer lang ist die Straße nur noch eine Piste, das Wasser steht so tief, dass man keine Chance mehr hat zu erkennen, wie tief die Schlaglöcher sind.

Aus dem Norden kommt man dagegen relativ gut nach Tirana. Die Schnellstraße von Shkodra aus ist gut ausgebaut. An den Grenzübergängen von und nach Montenegro muss mit teilweise langen Wartezeiten und intensiven Kontrollen gerechnet werden. Bei der Einreise warte ich etwa zwei Stunden, die Lage ist teilweise etwas unübersichtlich. Bei der Ausreise werden mein Auto, mein gesamtes Gepäck und ich selbst mehr als eine halbe Stunde lang von vier Männern kontrolliert. Im Auto werden sogar Armaturen abgeschraubt und die Lackdicke gemessen. Albanien ist einer von Europas größten Cannabis-Produzenten. Vermutlich wird die EU ordentlich Druck auf Montenegro machen, hier nicht allzuviel über die Grenze zu lassen, aber das weiß ich nicht genau.

Die Fahrt von Deutschland aus durch Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro ist jedenfalls toll. Mindestens zwei Tage Fahrt sollte man aber einplanen. Langweiliger, umweltzerstörender und schneller geht es mit dem Flugzeug direkt zum internationalen Flughafen von Tirana.

Die Straßen innerhalb Tiranas sind in Ordnung. Allerdings herrscht viel wilder Verkehr. Besonders an der Stelle, an der die Schnellstraße E852 im Südwesten Tiranas einfach aufhört, herrscht regelmäßig Chaos, dem auch mit moderner Routenplaner-Software nicht beizukommen ist.